Drei Michelinsterne, 19,5 Punkte im Gault Millau, Höchstbewertungen auch in allen anderen Gastronomieführern wie Feinschmecker und Schlemmeratlas. Platz 12 der weltbesten Restaurants im viel beachteten Ranking von San Pellegrino. Keine Frage, seine Küche ist die beste und verwegenste, die das kulinarische Deutschland derzeit zu bieten hat. Joachim Wissler aus dem Restaurant Vendôme im Schloss Bensberg (Bergisch-Gladbach) schafft etwas, was nicht nur Kritiker und Gäste, sondern auch die allermeisten seiner besternten Kollegen ins Schwärmen geraten lässt. Er vereint Ideenreichtum, Perfektion, Sinnhaftigkeit und Humor zu einem unwiderstehlichen Gesamtkunstwerk. Seit einigen Wochen nun kocht er nicht nur, sondern bloggt auch. Als einer der Wenigen aus dem hochbesternten Europa möchte er auf diese Weise einen Beitrag zum besseren Verständnis seiner Arbeit leisten. Die ersten Posts lesen sich schon vielversprechend.
Im Interview mit dem kompottsurfer beschreibt Joachim Wissler unter anderem auch, welch’ lange Entwicklung seine Gerichte oft nehmen, bevor sie reif für den Teller sind.
Herr Wissler, Sie schaffen es, Menschen mit ihrer Küche emotional zu bewegen. Nicht jedem Spitzenkoch gelingt das. Braucht es eine besondere Herangehensweise, um aus technischen und geschmacklichen Meisterwerken auch bewegende Gerichte zu machen?
Es gibt Kollegen, die machen eine Kopfküche und andere, die machen eine Bauchküche. Ich mache eine Kopfküche, die durch den Bauch ins Herz geht. Mich zum Beispiel hat die Küche von Joel Robouchon emotional besonders berührt. Er hat schon vor über zwanzig Jahren mal gesagt, dass ein Gericht erst dann perfekt ist, wenn man nichts mehr weglassen kann. Da steckt viel Sinn hinter. Meine Philosophie ist, ein Gericht immer aus einem Mittelpunkt heraus zu denken, und alles darum herum muss diesen Mittelpunkt noch deutlicher herausstellen. Alles was auf dem Teller in irgendeiner Art und Weise platziert wird, hat den Grund, dass der Mittelpunkt eine höhere Strahlkraft bekommt.
Wie muss man sich das in der Umsetzung vorstellen?
Das kommt über viele Wege zustande. Es ist erst einmal unglaublich anstrengend und zeitaufwändig. Weil man sehr selten etwas macht – und das betrifft bei mir vielleicht gerade einmal fünf Gerichte in den letzten 15 Jahren – das gleich im ersten Versuch so gut funktioniert, dass man es so lassen kann.
Wo liegen die größten Schwierigkeiten?
Es schon deshalb so schwierig, weil es sehr stark von den richtigen Proportionen abhängt, ob eine Idee funktioniert oder nicht. Nehmen wir das Beispiel Gänseleber. Da beschäftigte mich damals der Ursprungsgedanke, sie mit Bitterschokolade zu kombinieren. Anfangs in der Form, einen kleinen Schokoladenriegel zu machen. Aber das hat nicht funktioniert, weil die Proportionen nicht gestimmt haben. Weil zuviel Schokolade an der Gänseleber haften blieb. Dann hab’ ich die ganze Idee zunächst verworfen und erst zwei Jahre später wieder aufgegriffen. Nun haben wir die Gänseleber mit einer hauchdünnen Schicht Schokolade durchzogen, also im Prinzip marmoriert, und so hat es dann funktioniert. Es ist diese Feinabstimmung, auch was die Auswahl der weiteren Zutaten auf dem Teller angeht, die es so schwierig macht.
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